Das Gefühl von Zeit

von root

„Weißt Du eigentlich, wie spät wir es haben?“ Irgendwie haben wir bei dem ganzen Landesgrenzen-Hopping zwischen Portugal und Spanien die Übersicht verloren, wie spät es denn nun ist. Stunde vor und wieder zurück. Aber eigentlich ist dies egal, denn die Sonne geht unter, wenn sie untergeht, und auf, wenn der neue Tag anbrechen soll. Eher orientieren wir uns an dem Sonnen-/Helligkeitsstand, als an der wirklichen Uhrzeit. Ebenso ergeht es uns mit dem Wochentag, denn Portugal macht es uns leicht und auch am Sonntag sind sehr viele Supermärkte geöffnet. Dennoch wissen wir grob, welchen Tag wir haben, denn auch unterwegs gibt es ab und zu Notwendigkeiten, die es einzuhalten gilt.

Damit der Tag an sich nicht ganz aus dem Ruder läuft, sind wir recht diszipliniert und unser Handy-Wecker klingelt jeden Tag spätestens um 8 Uhr. Manchmal – abhängig von Sehenswürdigkeiten oder Dingen, die wir uns anschauen wollen – geht es auch mal um 6 Uhr raus, aber dies ist recht selten. Und generell lassen wir es nach dem Aufstehen erstmal recht gemütlich angehen: Bis zu 2 Stunden kann es dann schon mal dauern, bis wir abfahrbereit sind – Frühstück und Abwasch sowie Druckaufbau bei Patsha inklusive.

Im Schnitt fahren wir – seit wir aus Deutschland weg sind – 97 km pro Tag, also auch nicht die Welt. Zum einen haben wir ja Zeit, zum anderen ist das Fahren mit Patsha doch deutlich anstrengender, als mit einem PKW. Aber es ist schon sehr viel besser und routinierter geworden, als noch vor 5 Monaten. So gondeln wir zwischen 2 und 6 Stunden pro Tag mit Patsha umher, und – je nach Örtlichkeit – schauen wir uns noch das eine oder andere an. Wir genießen den Luxus, jeden Tag woanders sein zu können – wenn wir wollen – und so viel zu sehen. Manchmal sind wir regelrecht geflashed von den ganzen Eindrücken und jeden Tag einen neuen Ausblick aus unseren Wohnkofferfenstern: Wahnsinn! Aber wir haben nach 5 Monaten immer noch das Gefühl, wir sind eher im Urlaub als auf Reise, denn selten erlauben wir es uns, länger als eine Nacht am gleichen Ort zu stehen. Und dann ist es eher begründet mit Wäschewaschen oder Patsha „Umsorgen“. Wir haben immer noch unsere Route und unseren monatlichen Terminplan im Kopf – z.B. möchten bzw. müssen wir im Laufe des Julis wieder in Deutschland sein, um organisatorische Dinge zu erledigen bzw. Patsha ein paar „Verbesserungen“ angedeihen zu lassen -, und wenn wir ganz ehrlich sind: Wir wüßten gar nicht, wie wir von Jahresanfang bis heute noch 2 Monate Marokko untergebracht bekommen hätten. So viel haben wir uns in Spanien und Portugal angeschaut und deutlich mehr Zeit in diesen beiden Ländern verbracht, als geplant. Wäre es weniger gewesen, wenn die Fähre nach Marokko gebucht gewesen wäre? Keine Ahnung, aber ein erstes Gefühl von „etwas Rumtrödeln“ und die „Dinge langsam(er) angehen lassen“ stellt sich ein. Aber definitiv kein Laissez-Faire-Gefühl, denn schließlich wollen wir ja noch nach Skandinavien.

Der Kalender im Handy gibt uns wichtige Hinweise, wenn wir wieder mal etwas erledigen oder Fristen einhalten müssen. Ansonsten haben wir schon lange keine Armbanduhr mehr – schon zu Homeoffice Zeiten gab es genügend andere Uhren um uns herum und auch im Wohnkoffer hängt eine. Am Tag selber entscheiden wir nach Lust und Laune – und wenn wir eine Pause vom Fahren brauchen -, wo wir übernachten. Auch das ist Luxus, sich (zeitlich) frei bewegen zu können und zu entscheiden, wo und wann man sein Nachtlager „aufschlägt“. Dies ist definitiv mit einem Offroad-WoMo einfacher, als mit dem Zelt unterwegs zu sein: Ankommen, Ausrichten, Stehen!

Meistens kommen wir zwischen 14 und 16 Uhr an einem neuen Stellplatz an und wer meint, daß man dann doch bis zum Sonnenuntergang wahnsinnig viel Zeit hat, dem können wir sagen: Die Zeit, bis es Nacht wird, vergeht wie im Flug. Wir genießen es – so wie jetzt, wenn diese Zeilen entstehen -, sich erstmal hinzusetzen, die Gegend zu genießen – oder zu erkunden. Da wir meistens tolles Wetter hatten, war dies auch sehr oft möglich. Und dann ist es auch schnell 18 Uhr: Abendessen-Zeit. Meistens wird warm gekocht, manchmal gibt es belegte Brote. Und dann ruft die Disziplin zum Fotos Runterladen und Aussortieren auf, Mails oder anderweitige Anfragen zu beantworten, die Route für den nächsten Tag planen, und auch regelmäßig Nachrichten Lesen/Schauen gehört dazu. Man ist ja nicht aus der Welt. Und schwupps, ist es 22 Uhr, in welcher Zeitzone auch immer.

Im Vergleich zu unseren früheren Urlauben lassen wir es im Allgemeinen gemächlicher angehen – wir haben ja Zeit -, auf der anderen Seite müssen natürlich auch alltägliche Dinge wie Wäschewaschen, Einkaufen oder Wasser-Tanken erledigt werden. Bei normalen (kurzen) Urlauben spielt dies eher eine untergeordnete Rolle. Auf der anderen Seite sind wir immer noch terminlich eingebunden und auch das Sabbatjahr läuft Ende diesen Jahres ab, so daß die Rahmenbedingungen fix sind. Wie gesagt: Juli wollen wir für einen Zwischenstopp wieder in Deutschland sein.

Wenn wir jetzt im Mai zurückblicken, ist die Zeit bis heute ziemlich schnell vergangen, aber dies ist wohl bei jedem in der Retrospektive so. Wir haben so viel erlebt, daß wir dies ohne Fotos gar nicht mehr präsent haben. Und wir erinnern uns sehr gerne an die vielen Erlebnisse zurück, nur die Zeit, Fotos zu schauen, haben wir irgendwie nicht. Wir sondieren diese zwar jeden Tag aus, aber erleben gerne jeden Tag live neu. Flexibel und spontan sein, ist wichtig, und hierfür auch die Zeit zu haben: Auch das ist Luxus.

Zusammenfassend können wir sagen: Wir genießen das gefühlte Mehr an Zeit und sich diese frei(er) einteilen bzw. gestalten zu können. Gleichzeitig sind wir nicht zeitlos unterwegs und sind immer noch in Terminschienen eingebettet. Insofern: Zeit ist wie immer relativ!

Am wunderschönen Alcantara Stausee.
Beeindruckender Meandro del Melero. Musik von: https://www.musicfox.com
Unser Schutzengel während der Fahrt.

 

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