Uns war es wichtig, daß unser Reisemobil eine Winde hat – um uns oder andere aus einer misslichen Lage befreien zu können. So waren wir auch damals sehr froh gewesen, daß jene Feuerwehr, die wir gekauft hatten, eine solche besaß. Nach langem Hin und Her hatten wir jene hydraulische Winde durch eine elektrische ersetzt, da diese weniger Platz verbraucht (= kein Hydrauliköltank), als auch leichter ist (= Gewichtsersparnis ca. 400 kg). Aber, wir haben eine Winde für den Notfall!
Wenn wir jetzt das halbe Jahr zurückblicken, hat sich der Anbau einer Winde gelohnt? Bislang hatten wir 5 „Rettungseinsätze“.
Rettungseinsatz Nr. 1:
Es ist Mitte Februar und wir suchen bei winterlichem Wetter in Frankreich einen Stellplatz für die Nacht. Eine Wiese, im Sommer zumindest als ein Campingplatz ausgewiesen, erscheint für uns ein guter Übernachtungsplatz, und so rollt Boris – nachdem ich mein Ok. für die Beschaffenheit der Wiese gegeben habe – mit Patsha los. Ich schlage meine Hände vor’s Gesicht, als ich die tiefen Spuren, die wir im grünen Belag hinterlassen, sehe, und versuche, Boris zu stoppen. Im übrigen wird dieses Foto bei Insta – also dies von den Spuren, nicht von mir – mit eines der meisten Klicks werden.
Ab dann lernen wir: Fahre nie auf eine nasse Wiese und unterschätze nie das Gewicht eines LKWs!
Mmh, wo können wir denn unser Windenseil befestigen? Nein, wir brauchen dieses nicht, denn mit Luftdruck Absenken, Untersetzung und beiden Sperren rein, kommen wir gut rückwärts wieder raus. Alles ganz easy!
Rettungseinsatz Nr. 2:
Wir stehen super schön am blauen Embalse de Guadalmena in Spanien; es ist Mitte März. Über eine Piste mit einigen Schlaglöchern sind wir hierher gelangt und von unserem erhabenen Stellplatz schauen wir hinunter auf eine Landzunge, die in den Stausee hineinragt. Das Video zur Anfahrt und den Stellplatz selber könnt Ihr HIER sehen. Eine noch buckeligere Piste geht hier hinunter; für uns viel zu steil, ausgewaschen und mit tiefen Löchern – na ja, hinunter wird’s wohl gehen, aber wieder hinauf? Plötzlich „stürzt“ sich ein normaler PKW wagemutig hinunter und wir denken noch: Ah, das ist bestimmt einer von hier, der sich auskennt und weiß, worauf er sich einläßt. Wir sehen noch, wie er bis zum Wasserrand fährt, wendet und die Heckklappe weit aufmacht. Wahrscheinlich angelt er direkt aus dem Kofferraum heraus. Zwei Stunden später klappt er das „Sonnendach“ zu und fährt nach oben, bzw.: Will wieder zurück nach oben fahren. Wie war dies noch mit steil? Boris schaut sich den ersten und den zweiten Versuch an, als der PKW immer wieder Anlauf nimmt, aber in den Löchern die Räder einfach durchdrehen. Er geht zu dem Fahrer hin und fragt, ob wir helfen können. Dieser verneint und die Frau auf dem Beifahrersitz gibt Boris zu verstehen: Mein Mann kann das! Also, Versuch Nr. 3 und Nr. 4, immer wieder mit mehr Schwung. Da kann Boris nicht mehr zusehen, läuft hinter das Auto, drückt auf das Heck und schiebt an. Und urplötzlich reicht dies aus und mit Ach und Krach kommt das Auto oben an. Der Fahrer – im übrigen ein Franzose, der die Gegend überhaupt nicht kennt und einfach blindlings die Piste runtergefahren ist – ist sichtlich erleichtert und bedankt sich bei Boris, während sich die Frau in ihrem Sitz verkrümelt.
Ich habe von der ganzen Aktion gar nichts mitbekommen und bin erstaunt, als Boris mit schwitzigem T-Shirt auf mich zukommt. Schade, unsere Winde kam nicht zum Einsatz!
Rettungseinsatz Nr. 3:
Wir sind wieder an einem Stausee, diesmal in Portugal (Barragem do Roxo). Es ist einen Monat später, also Mitte April. An jenem Stausee werden wir am frühen Abend dann auf einen „Notplatz“ flüchten, da die Personengruppe links in der Nähe von uns meint, mega-Musik aus ihren Mega-Lautsprechern, angesteuert durch einen noch mega-mäßigeren Generator, hören zu müssen. Aber zuvor war es noch ruhig und so konnten wir und andere Camper regelrecht hören, wie sich ein Geländewagen in einer matschigen Kuhle – mehr ein Tal auf dem Weg runter zum See – festfährt. Wieder und immer wieder mit Anlauf vor und zurück, immer mehr hinein ins Schlamassel. Ein weiterer Geländewagen eilt zu Hilfe und versucht mit einem Abschleppseil, den Festgesteckten nach vorne, die Kuhle wieder hinauf, heraus zu schleppen. Fehlanzeige. Ein paar andere der Camper schauen sich dies an und als wir hinzukommen, winken sie ab: Die (Festgefahrenen) wollen ja nur ihren Spaß haben. Wie sehr sie Recht behalten werden!
Man kommt einige Zeit später auf uns zu – ja, wir sind die mit der Winde! – und fragt uns, ob wir helfen könnten. Wir sind gerne bereit dazu, müssen uns jedoch noch schnell fahrtauglich machen – Stühle und Tisch stehen draußen, wir sind aufgebockt, und das Geschirr vom Abendessen steht auch noch in der Spüle. Der Fahrer des zu Hilfe geeilten, zweiten Geländewagens gibt uns zu verstehen: Absolut kein Problem! Er weiß, wie wir fahren müssen, um an den festgefahrenen Geländewagen zu gelangen. Also, wir hinterher.
Lessons Learned für uns an jenem Abend: Versichere dich selber, daß der Weg auch wirklich befahrbar ist und fahre nie blindlings hinterher! Denn: Am Anfang war da wirklich noch ein Weg, aber dann sollten wir entlang einer Böschung, dicht bewachsen mit Sträuchern, und schräg zum Hang in Richtung festgefahrenem Auto fahren. Nein, daß ist wirklich zu schräg für uns und der Weg – ach ja, da ist gar keiner – ist nicht einsehbar! Im übrigen ist der Fahrer des festgefahrenen Wagens auch gar nicht einverstanden, daß er von vorne rausgezogen wird; er will, daß wir hinter ihn fahren und in die andere Richtung ziehen. Tja, aber von hinten kommen wir auch nicht durch die Kuhle ran.
Es stellt sich heraus, daß der Fahrer des stecken gebliebenen Geländewagens öfters ein solches Wagnis aus Spaß eingeht, und er wollte in diesem Fall seinen Freunden auf der anderen Seite nur Zelt und Co. näher bringen. Für ihn ist die ganze Sache ein Spaß, und so steht er mit Bier und Zigarette in der Hand lässig neben seinem Auto und will auch unseren Spaten für’s Freischaufeln nicht haben. Der Fahrer des anderen Geländewagens besitzt übrigens noch mind. 40 andere Fahrzeuge, die er vermietet, und so weiß er, welchen anderen Wagen er holen wird, um das Missgeschick zu beenden.
Wir trollen von dannen und unsere Winde kam nicht zum Einsatz. Zu weit waren wir von dem Festgefahrenen entfernt, daß unser 30 m Windenseil geholfen hätte.
Rettungseinsatz Nr. 4:
Wir machen einen Sprung nach Nordspanien und fahren auf einer nicht mautpflichtigen Autobahn an der Küste entlang. Plötzlich sehen wir in der Mittelleitplanke einen PKW stehen; nicht in diese reingefahren, aber es sieht so aus, als ob er daran parkt. Auf deutschen Autobahnen kann man die Sekunden zählen, bis sich eine solche Situation zu einem Unfall entwickelt, und ein anderes Auto mit hoher Geschwindigkeit auf der linken Spur in ein solch „parkendes“ Auto crashed. Wir hauen die Bremse rein und stellen uns sicher auf dem Standstreifen ab.
Boris läuft über die Autobahn zu dem Auto – in Deutschland ein Unding und viel zu gefährlich! Die junge Frau, die darin sitzt, ist überfordert und sagt in spanisch etwas wie: Das Auto ist einfach ausgegangen und ich bin dann einfach nach links gefahren. Boris gibt ihr zu verstehen, sie soll aus dem Auto raus; zu gefährlich, dort drin sitzen zu bleiben. Aber sie will nicht aussteigen. So kann er sie zumindest davon überzeugen, innen auf den Beifahrersitz zu klettern und tatsächlich: Als er den Motor wieder startet, ist alles ok. Er schafft es, das Auto über die zwei Fahrspuren auf den Standstreifen zu fahren und sichert die „Unfallstelle“. Die Frau läßt sich nur mit Mühe aus dem Auto bewegen, will aber auf keinen Fall weiter fahren und runter von der Autobahn, denn: Sie hat ja den Pannendienst gerufen und „muß“ hier auf diesen warten.
Glücklicherweise kommt dieser nur 15 min. später und die Frau fällt Boris erleichtert um den Hals. In der ganzen Zeit, die diese Situation gedauert hat, hat nur ein einziger angehalten, und das, um kurz zu gaffen und dann weiter zu fahren. Keiner, wirklich KEINER, hat die Geschwindigkeit reduziert oder ist mit Abstand zum PKW vorbei gefahren. Eher haben die Autos Abstand zu unserem LKW gehalten, der auf dem Seitenstreifen stand. Uns fehlen die Worte.
Wir sind sehr froh, daß unsere Winde hier nicht zum Einsatz kommen mußte!
Rettungseinsatz Nr. 5:
Wir stehen mit einem weiteren Van an der Nordküste Frankreichs; es ist Ende Juni. Über eine schlammige, aber fahrbare Schlaglochpiste sind wir hierher gelangt. Wir genießen gerade die Abendstimmung und sitzen beim Abendessen in unserem „fahrbaren Ausguck“, da klopft es an unserer Tür. Ein französischer WoMo Fahrer bittet uns um Hilfe, denn nur wenige hundert Meter entfernt hat er sein Gefährt in einem Graben versenkt. Versenkt heißt: Er ist über einen rutschigen Feldweg in den Graben gefahren und steht mit der Fahrerseite deutlich geneigt darin. Unser Lessons Learned von Rettungseinsatz Nr. 3 heißt: Fahre nicht einfach blindlings darauf los, um zu helfen. So schauen wir uns den Weg zu ihm an, müssen aber feststellen: Zu schmal für uns, und noch viel rutschiger und mit mehr tiefen Löchern versehen als der Weg, den wir bislang zu unserem Stellplatz genommen hatten. Wir fragen den Fahrer, wie denn die andere Seite aussieht, die er gefahren war, und die Antwort ist: Pas de problem! Zumindest die paar Meter hinter ihm sehen für uns einigermaßen ok. aus.
Bevor wir losfahren, versuchen wir es noch mit unseren Unterleghölzern und Schaufeln, müssen aber aufgeben. Auch schafft der Fahrer, sich durch „sein Können“ noch weiter in die Misere hineinzufahren, und Boris Tipps nimmt er nicht an. So verschlimmert sich seine Lage zusehends und er droht, immer mehr umzukippen. Derweil stehen seine Frau und seine Tochter in der Nähe, schauen aber einfach nur zu.
Wir machen uns wieder fahrfertig – schnell das Geschirr sicher in der Spüle verstaut – und fahren den ca. 8 km langen Umweg um ihn herum, um von der anderen Seite zu ihm zu gelangen. Und, was müssen wir sagen: Die Straße im Dorf vor ihm ist für uns fast nicht passierbar – zu eng und Äste von Bäumen hängen viel zu tief! -, und der Feldweg entpuppt sich als Traktorspur, matschig, glitschig, mit 2 tiefen Fahrrinnen, in die wir ebenfalls zu rutschen und kippen drohen. Und dieser Weg soll „easy going“ sein? Wir kommen ca. 100 m von hinten an ihn heran – unser Windenseil ist bekanntermaßen 30 m lang -, müssen dann aber aufgeben: Zu gefährlich für unser rollendes Zuhause! Jetzt heißt es erstmal, einige hundert Meter in der Matsche wieder rückwärts zurück, Zentimeterweise, bloß nicht wegrutschen, bis wir eine Stelle finden, an der wir am Feldrand drehen können. Die Dämmerung setzt ein, es fängt an, zu regnen und wir sind erleichtert, daß wir uns selber erstmal haben wieder „befreien“ können.
Aber natürlich steht der WoMo-Fahrer noch dort. Also packen wir unser Zeug, bewaffnen uns mit Spaten und weiteren Unterleghölzern, und versuchen, ihn frei zu schaufeln und von hinten zu schieben. Endlich packt auch seine Frau mit an, aber letztendlich müssen wir nach einer weiteren Stunde, dreckig und völlig durchnäßt, im Dunkeln aufgeben. Wir fragen, ob er nicht eine Mobilitätsgarantie in seiner Versicherung enthalten hat, und ja, diese hat er und die Hotline ist auch erreichbar. Grund im übrigen, warum er genau hier gelandet ist: Das GPS hat ihm genau diesen Weg gezeigt, und er ist nachgefahren. Ohne Worte!
Natürlich hatten wir auch versucht, unsere Sandbleche zu Hilfe zu nehmen, aber – wie sich im Nachgang herausstellen wird – der Griff zur Sicherung dieser war durch das Salz im Winter zuvor „festgebacken“. Gut, daß wir dies nicht in Marokko feststellen mußten, sondern hier, trotzdem super ärgerlich. Ob es geholfen hätte? Wir wissen es nicht, denn wir meinen, daß der WoMo Fahrer sich durch eine andere Fahrweise und mit schräg gestellten Rädern nach hinten hätte selber rausfahren können. Anstatt dessen ließ er die Räder gerade, wollte nur nach vorne – dafür gerade – weiter in den Graben, um am Ende dann wieder rauszufahren, und er gab sogar noch mehr Gas, als die Räder durchdrehten.
Und unsere Winde? Wie gesagt: 30 m Seil viel zu kurz!
Hat sich also unsere Winde bislang gelohnt? Nö, aber zumindest sieht sie richtig cool aus! 😉