11 Tage sind wir nun im Uhrzeigersinn durch Estland gereist. 11 Tage, in denen wir trotz des nicht immer guten Wetters die unterschiedlichen Facetten Estlands haben kennenlernen dürfen. Entgegen Erfahrungen anderer, die Estland als total schön und interessant beschreiben, hatten wir etwas Mühe, uns an dieses Land zu gewöhnen und uns wohl zu fühlen. Es lag einerseits am Regen und den daher teilweise recht tristen Aussichten; andererseits aber auch an der hohen Militärpräsenz, die uns etwas Eingewöhnungszeit abverlangt hat. Insgesamt blicken wir aber dennoch auf sehr interessante Tage zurück, denn wir wollen ja schließlich auch das „Andere“ sehen, was eine Reise ausmacht. Welche Route wir gefahren sind, könnt Ihr daher HIER sehen.
Fangen wir also bei unserem Länderfazit mit den weniger subjektiven Faktoren an:
- Wetter: Leider war der Oktober alles andere als golden, d.h. unsere Luftfilter haben wir des Öfteren vom Regenwasser befreien müssen. Trotz Wechsel des Zyklonfilters wird die Wanne unter unseren Luftfiltern immer wieder nass und wir suchen immer noch nach „dem Leck“. Die Temperaturen waren in der Regel einstellig – auch tagsüber -, nur am aller letzten Stellplatz am Meer glänzte Estland nochmal mit 14 Grad. Da haben wir uns doch glatt wie im Frühling gefühlt.
- Stellplätze: Wir standen sehr oft auf RMK Stellplätzen, die wir entweder über P4N gefunden haben, oder in der RMK App selber. RMK ist übrigens die Abkürzung für die staatliche Forstverwaltung, und diese pflegt ihre Plätze gut. Manchmal haben wir sogar trockenes Feuerholz vorgefunden, denn Sammeln bei der Nässe war schwierig. Fast immer haben wir alleine gestanden und gerne auch die Abwechslung in den wirklich schönen Plätzen gesucht, damit wir nicht immer „im Wald stehen“.
In Tallinn hatten wir uns zunächst einen kostenlosen Parkplatz im Nordwesten angeschaut, aber dieser wirkte uns nicht sicher genug. Im Sommer mag dies anders sein, aber er war bei unserer Ankunft eher verlassen und nicht sonderlich einladend. Daher sind wir dann zum Stellplatz am Pirita Hafen gefahren, der mit 25 € überzogen teuer ist. Nun gut, wir haben dann halt Wasser aufgefüllt und mit dem Strom wieder mal unsere Außensteckdose „gecheckt“. Und man konnte von dort super gut mit dem Bus in die Innenstadt fahren.
- Wasser: Wie erwähnt, haben wir einmal am Pirita Yachthafen aufgefüllt, und haben Estland letztendlich immer noch mit ¼ Wasserfüllstand verlassen. Wenn wir nicht waschen, kommen wir damit noch ein paar Tage hin und müssen uns dann erst in Lettland etwas suchen. Wer sich noch an unser Länderfazit aus Finnland erinnert, weiß, daß wir Schwierigkeiten hatten, eine Waschanlage für Patsha zu finden. Tja, nach 2 Anläufen in Estland haben wir dann auch hier aufgegeben. Gleiches Problem. Als wir jedoch verschiedene Erdpisten – so auch im Soomaa NP – bei Regen gefahren sind, haben wir beschlossen: Patsha saut sich eh‘ wieder schnell ein und braucht keine Wäsche. Wir warten dann einfach den nächsten Regenschauer auf einer Teerstraße ab. 😉
- Strom: Aufgrund des schlechten Wetters haben wir ein-/zweimal den B2B angemacht, um wieder auf einen normalen Batterieladestand zu kommen. Aber er mußte zumindest nicht dauerhaft laufen.
- Müllentsorgung: Entweder gab es Mülltonnen an den (RMK-)Stellplätzen, oder wir haben welche an großen Supermärkten gefunden. Insofern ok. für uns.
- Lebensmittel: Zwar steht in unserer Lidl-App nichts von Filialen im Land, aber im Internet haben wir die Info gefunden, daß Lidl im März diesen Jahres 8 Filialen in Estland eröffnet hat. So haben wir dann doch gleich in 2 von diesen „Sightseeing“ gemacht: Großer Supermarkt, alles gefunden, Preise inzwischen akzeptabel.
- Dieselpreis: Also, Diesel kostet in ganz Estland den Standardpreis von 1.974 €/l Diesel – Tankstellen-übergreifend. Mmh… Als wir die erste, weit ab vom Schuß, mit 1.92 € gesehen hatten, haben wir zumindest einen der Tanks gefüllt. Lt. Internet ist Lettland billiger, so daß wir bis dahin locker kommen werden.
- Daten/Internet: Irgendwie haben wir das vielbeschworene, kostenlose WLAN in Estland nicht gefunden, außer an einer kleinen Stelle nahe der Burg in Tallinn, wo wir einen Hotspot von Tallin4EU gefunden hatten. Und am Yachthafen in Pirita konnten wir uns mit Passwort und schlechtem Empfang einloggen. Aber das war’s. Insofern telefonierten wir hier weiterhin mit unseren vorhandenen SIM-Karten (1x Telekom aus Deutschland, 2x Lidl-connect aus Deutschland); Empfangsqualität ok.
Und die subjektiven Eindrücke:
- Straßen: Estland investiert wohl kräftig in gute Straßen, denn bis auf ein kleines Stück Erdpiste am Anfang hatten alle von uns gefahrenen Wege eine gute bis wirklich ausgezeichnete Qualität – inklusive der Offroad-Pisten. Nur durch die Baustellen muß man sich mangels Markierungen manchmal etwas flexibel hangeln…
- Leute: Vielleicht sind Supermarkt“besuche“ nicht repräsentativ, aber im Vergleich zu den Ländern zuvor haben wir dies hier alles als „hektisch und chaotisch“ empfunden, so als ob der Este wirklich kreuz und quer shoppen geht und sich alles in Ruhe anschaut und sorgfältig händisch prüft. Wenn wir dann mit Menschen ins Gespräch kamen – dies ging im Regelfall problemlos mit Englisch -, war dies immer freundlich und kurz & knapp. Patsha hingegen wurde eher wie ein „Alien“ betrachtet, fotografiert oder gefilmt. Scheinbar sind Fahrzeuge dieser Art hier eher unbekannt.
- Flora & Fauna: Nach langer Zeit wieder einige Vögel zu sehen, deren Gezwitscher zu lauschen, war schon schön. Auch gigantische Ansammlungen von Wildgänsen, die sich auf Feldern zum wohl gemeinsamen Start ´gen Süden „verabreden“, haben wir beobachten dürfen. Aber leider auch hier wieder kein Elche, dafür Kühe. Landschaftlich sind wir durch viele Waldabschnitte gefahren, aber auch Felder taten sich vor uns auf. Insgesamt haben wir Estlands Natur als schön empfunden, aber nicht spektakulär, auch wenn der Wasserfall Kägala Juga wirklich sehenswert war.
- Landestypische Küche: Wir haben uns von den Restaurant-Empfehlungen von Abenteuersuchtberatung inspirieren lassen und können auf jeden Fall auch das Kachka sehr empfehlen (bietet jedoch ukrainische Küche, nicht estnische). Daneben hat es uns in ein japanisches Ramen-Restaurant verschlagen. Insofern sollten wir wohl zukünftig diese Kategorie mal umbenennen, da wir – der Kosten wegen – doch eher selber kochen, als Essen gehen.
- Land: Wir haben es angedeutet: Wir hatten – nach Tallinn – einen leicht „schwierigen“ Start. Da sich der Eindruck eines Landes unserer Meinung nach aus den Faktoren „Begegnungen“ und „Wetter“ zusammensetzt, scheint zumindest eine Reisezeit in der Saison – bei schönem/schönerem Wetter – doch empfehlenswerter zu sein, als den Oktober zu wählen. Schade war, daß wir daher keine Wanderung unternehmen konnten, um die Nationalparks wirklich zu erleben, anstatt nur durchzufahren. Wir empfanden insbesondere den Norden als sehr abwechslungsreich und dank der Tipps von Betty und Micha (Abenteuersuchtberatung.de) haben wir interessante Stätten wie Rummu oder die Gegend um Aidu besucht. Überrascht haben uns die vielerorts tollen, teilweise luxuriösen Wohnhäuser der Esten, die gar nichts mit den von uns erwarteten Block-Bauten gemeinsam haben. Und eine Fass-Sauna gehört standardmäßig immer mit dazu. Das Schild „Videovalve“ ist in dem Land normal, egal, ob bei Wohnhäusern, sonstigen Gebäuden oder Plätzen.
Beim Busfahren in Tallinn sollte man sich darauf einstellen, daß man direkt im Bus mit der eigenen Bankkarte „eincheckt“, ohne ein Ticket zu bekommen, und mit jener Bankkarte bei einer neuen Busfahrt wieder prüft, ob das „Ticket“ zuvor noch gültig ist. Wenn wir Busfahrer angesprochen hatten, ob ihrer zum Ziel XY fährt, kam immer ein „Nein“ zurück, auch wenn der Bus dann doch wirklich dorthin fuhr. Haben wir ausprobiert. 😉
Generell aufgefallen ist uns vielerorts eine sehr kritische Reflexion mit der sowjetischen Vergangenheit, die sich in Denkmälern oder Texten widerspiegelt.