Ein regnerischer und kühler Morgen in Hamburg: Wir stehen am Terminal O’Swaldkai und haben noch 4 Stunden Zeit, bevor wir uns mit einem Mitarbeiter von Caravan Shippers treffen, um Patsha hier im Hafengebiet abzugeben. Links und rechts neben uns wechseln die LKWs auf den Parkplätzen durch und wir haben mal Sicht auf ein bunt bemaltes Obst-Bild, dann wieder auf einen Auto-Transporter. Auch ein anderes Expedi taucht kurz neben uns auf. Tage schwerer Abschiede von der Familie, aber auch voller Vorbereitung liegen hinter uns: Sowohl die administrativen, um die Überfahrt von unserem Zuhause möglich zu machen, als auch die organisatorischen, um Patsha selber für die Seereise tauglich zu machen (ein paar Fotos hiervon findet Ihr unten). In ein paar Stunden sind wir „homeless“ und werden dann erstmal einen Urlaub in Deutschland einlegen. 😉 Ein guter Zeitpunkt also, ein Fazit von unserer Europa-Testreise zu ziehen.
Für den schnellen Leser mit wenig Zeit sei gesagt: Es war einfach nur genial und die perfekte Vorbereitung auf den nächsten Schritt. Nicht alles lief nach Plan – wobei dies schon ein Widerspruch zu einer solchen Reise an sich ist -, aber wir haben eine Million von Eindrücken gesammelt, Routine im Reisen entwickelt, Patsha optimiert, und – ganz wichtig! – herausgefunden, daß diese Art des Lebens passend für uns ist. Wir freuen uns also riesig auf die Zeit auf einem neuen Kontinent!
Unsere komplette Routenübersicht in diesen 427 Tagen findet Ihr übrigens HIER, inklusive einiger Fakten. Unsere Kostenverteilung aus diesen Monaten findet Ihr HIER.
Für alle anderen von Euch – mit mehr Zeit -, schreiben wir gerne ein paar mehr Details. Nicht in Bezug auf die bereisten Länder – denn die Länderfazits findet Ihr auf unserer Homepage und sind doch von Land zu Land sehr unterschiedlich. Es geht eher um einen „persönlichen Rückblick“, denn ganz zu Anfang steht erstmal das große Wagnis, alles „aufgegeben zu haben“ und das Risiko eingegangen zu sein, unsere feste Homebase verkauft, und mittlerweile auch unsere sehr guten Anstellungen aufgegeben zu haben. Viele, mit denen wir sprechen oder die uns fragen, sagen, daß sie auch gerne so ein Leben führen möchten, wobei dann schnell wieder ein „Aber“ kommt, und viele Begründungen, warum dies aktuell nicht möglich ist. Neben dem nachvollziehbaren Aspekt, daß „die Kinder noch nicht aus dem Haus sind“, kommt gleich an zweiter Stelle die Aussage, daß „man sich dieses nicht leisten kann“. Wie wir bei unserer Vorstellung schreiben, ist für uns diese Weise, zu Reisen, keine Frage des Geldes – dieses bestimmt natürlich die Art und den Umfang einer solchen Reise, aber Low Budget ist nicht zwingend ein KO-Kriterium -, sondern für uns bedeutet es, in erster Linie Mut zu haben, ein solches Risiko einzugehen. Nicht mutig im Sinne von Heldenmut, aber bereit sein für ein solches Wagnis, flexibel zu sein, auch mit nicht Perfektem leben zu können, und vor allem: Offenheit für alles, was einen umgibt. Vieles ist nicht planbar, man muß loslassen können, Spaß haben, neue Dinge zu entdecken, und dennoch gewahr sein, daß es ohne Form einer Organisation auch nicht geht. Sonst bleibt der Kühlschrank leer und am Lagerfeuer ohne Bierchen zu sitzen, ist überhaupt nicht prickelnd. 😉
Apropos Organisation: Wir sind sehr dankbar, daß wir von meiner Schwester vollste Unterstützung (zu Hause) bekommen, denn irgendwie scheint es in Deutschland nicht möglich zu sein, alles online abzuwickeln bzw. alles komplett von Brief- in Mailformat umzuwandeln. Und alleine die bestimmt 100 Pakete, die wir mit Allerlei für uns und Patsha für die Weiterreise in den Amerikas bestellt hatten, haben eine Anlaufstelle gesucht…Wenn Ihr also eine Langzeitreise plant, ist es unserer Erfahrung nach immer ratsam, in der Heimat noch einen lieben Kontakt zu haben.
Schwenken wir wieder zurück, auf unsere bisherige Reise: Alleinig das Betrachten von Bildern – z.B. in Instagram – weckt immer das Gefühl von Idylle, Freiheit, dem perfekten Moment. Ok., man möchte natürlich in erster Linie schöne Bilder zeigen, auch wenn diese immer nur einen Ausschnitt der Realität zeigen. Aber es ist natürlich nicht immer wie im Paradies, und deswegen beeilen sich viele, gleich hinterher zu setzen: Es gibt ja auch den Reisealltag und man steht oft auch nur praktisch, nicht immer am super sauberen, einsamen Strand. Wir würden jedoch sagen: Es ist schon ein Luxus, so unterwegs sein zu dürfen; in einer Gesellschaft und in einem familiären Umfeld aufgewachsen zu sein, welche dieses ermöglicht. Viele Menschen – speziell auch aus anderen Ländern bzw. Kulturen – haben diese Voraussetzungen erst gar nicht. Und dann gehört natürlich auch der „perfekte“, mutige Partner mit dazu – sofern man zu zweit unterwegs sein möchte –, denn sonst ist der schöne „Sommerurlaub“ schnell vorbei. Wir feiern dieses Jahr „30-jähriges“ und sind genauso lange zusammen, wie unser Basisfahrzeug in diesem Jahr alt sein wird. Viele Urlaubsreisen liegen bereits hinter uns, aber auf so engem Raum, 24/7 zusammen, wo der eine oder andere, anstrengende Fahrtag hinter einem liegt, haben auch uns am Anfang herausgefordert 😉. Dafür ist es schön, die vielen, tollen Erlebnisse miteinander teilen zu können. Wir haben Routine in unserem Tagesablauf auf Reisen entwickelt – ok., wir stehen auch viel später auf als früher -, und so langsam werden wir vom „Schreibtischtäter“ zum „Patsha-Mechaniker“, wobei wir für jede Werkstatthilfe, als auch den tollen Support von Benny von FRM-Technik, sehr dankbar waren. Wir haben unsere Rollen auf der Reise gefunden (Boris macht alles 😉, und ich den Rest 😉), die teilweise ganz andere sind, als während unseres Berufslebens, denn ansonsten würden wir mittlerweile verhungert sein. Und auch unsere Reisegeschwindigkeit haben wir spätestens in Griechenland in die langsame Richtung optimiert, denn es ist schon anstrengend, jeden Tag zu fahren und ein neues Nachtlager zu suchen. Daß Patsha für Europa zu groß ist, haben wir Euch ja schon mehrfach in früheren Berichten erzählt, so daß unser Gesamtfazit für Europa als Kontinent schon lautet: Landschaftlich einfach abwechslungsreich, aber: Zu dicht besiedelt, (für uns) oft zu enge Straßen – wir können gar nicht genug jammern! -, und um ganz ehrlich zu sein: Die spektakulärsten Naturerlebnisse hatten wir eher in unseren früheren Urlauben außerhalb von Europa. Leider hat sich die Tierwelt auch sehr oft vor uns versteckt, oder Patsha war einfach zu laut. Dafür ist es natürlich „praktisch“, wenn die nächste Werkstatt nicht weit entfernt ist, denn Patsha hatte schon ab und an ein paar „Allüren“. Insofern unterstreichen wir mehrfach, daß sich eine Testreise mit einem neu aufgebauten Auto absolut lohnt – und diese Aussage gilt auch für den Kauf eines ganz neuen Reisemobils, wie andere Reisende bestätigen, die wir getroffen hatten.
Der Laster mit dem Obstbild neben uns ist weggefahren, auch das andere Expedi scheint schon „eingecheckt“ zu haben. Wir haben noch 2 Stunden Wartezeit vor uns und so langsam wird es in unserem Wohnkoffer merklich kalt. Unsere Heizung ist längst aus, das komplette elektrische System heruntergefahren und das trübe Wetter draußen hält immer noch an. Der Himmel weint, daß wir Patsha in unbekannte Hände für seine große Reise geben werden. *sülz & schluchz*
Und gleichzeitig ist die Neugierde auf das, was vor uns liegt, riesig. Die Vorfreude, auf das, was wir sehen werden, gigantisch. Soll ich schreiben: Unsere Erwartungshaltung ist so groß wie ein Berg?! Wie der Denali in Alaska, den wir vielleicht noch einmal sehen werden.