In unserem Reiseführer (Dumont, Kanada – Der Westen / Alaska, v. 2014) steht: Von Dease Lake führt eine raue Schotterstraße, die Telegraph Creek Road, in südwestlicher Richtung durch das enge Tal des Stikine River nach Telegraph Creek. […] Die 115 km lange Forststraße ist nicht für größere Wohnmobile geeignet – und auch nicht für Fahrer, die nicht viel für schmale Straßen mit starken Steigungen und Blick in tiefe Schluchten übrig haben. Bei schlechtem Wetter sollte man auf jeden Fall auf das Abenteuer verzichten. […] Bei schönem Wetter belohnen eine grandiose Landschaft und ein verträumter Ort aus der Goldgräberzeit.
Für uns beide stand also schnell fest: Wir wagen es zusammen mit Patsha!
Wir kamen von Norden, von Watson Lake, entlang des Cassiar Highway in Richtung Dease Lake, und der Himmel vor uns verfinsterte sich immer mehr. Dunkle Regenwolken türmten sich auf, aber an dem Kreuzungspunkt, an dem wir in Richtung Telegraph Creek abbiegen wollten, war der Regen noch nicht angekommen. Wir bogen also ab und hofften, dem drohenden Gewitterband ausweichen zu können. Nach nur einem Kilometer fing dann die gute Schotterpiste an, die sich zunächst relativ moderat schlängelte. Aber mehr und mehr wurden die Kurven enger, und es ging vor allem bergauf und bergab. Die „Straßenbaukünstler“ haben dazu – wie allgemeiner Standard bei Schotterpisten – gemeint, in den Kurven alles noch steil anzulegen, so daß man sich schon gut seine Linie suchen mußte, um nicht allzu schräg mit seinem LKW zu kippen, gleichzeitig aber eine gewisse Minimalgeschwindigkeit zu halten. Aber auch nicht zu schnell, denn nach der nächsten Kuppe ging es ja wieder bergab. Die „Straße“ führte so über viele Kilometer durch dunkles Waldgebiet; manchmal sah man einige Meter hinab auf einen rauschenden, türkisfarbenen Fluß. Noch war die Strecke trocken und wechselte von einer guten Schotter- in eine gute Erdpiste. Da es schon später Nachmittag war, wollten wir auf einer kleinen Lichtung bei KM 28 für die Nacht stehen bleiben, aber aufgrund einer Baustelle war diese bereits mit schwerem Gerät zugeparkt. Also hieß es: Weiterfahren bis KM 55, und dies war im Nachhinein die richtige Entscheidung. Der Stellplatz war grandios und gehört mit zu den Top 5, die wir in Kanada hatten! Auf einem schmalen Waldeinschnitt sind wir langsam rückwärts bis zum Ende gefahren, bevor der Weg steil nach unten ins Tal abfiel. Wir mußten mit unseren Auffahrrampen ausgleichen, was aber kein Problem darstellte. Die Sicht von hier über das grüne, bewaldete Tal, man konnte einen kleinen Blick auf den rauschenden Fluß in einiger Distanz erhaschen, und die hohen Berge im Hintergrund: Ein Traum! Sogar in weiter Ferne haben wir einen Gletscher sehen können, und standen dabei eingerahmt im Birkenwald. Die Straße war nur knapp 50 m entfernt, aber kein Auto, was mehr passierte. Es war super ruhig. Ein wirklich genialer Stellplatz für die Nacht!
Am nächsten Morgen hatte es zugezogen und regnete mäßig. Wie hieß es noch in unserem Reiseführer: Keine gute Idee, die Strecke im Regen zu fahren. Sollen wir oder sollen wir lieber nicht? Ok., wir versuchen es mal und wenn es zu glitschig wird, kehren wir um oder machen Halt. Die Straße war aber ok., führte auch eher geradlinig weiter, und wir hatten Glück: Der Regen hörte auf. Ein paar Tropfen fielen zwar noch, als das Schild kam: Mountain Road, bis zu 20% Steigungen, aber langsam im 2.ten Gang runter bis ins Tal, über eine schmale, lange Holzbrücke, die über den türkisfarbenen Strom führte: Alles gut machbar. Und der Himmel klarte auf; die Wolken blieben verteilt als tolle Kulisse und die Sonne machte sich dazwischen breit. Was für eine Szenerie! Die Landschaft: Malerisch, bewaldete, aber auch kahle Berge, der Weg mal abwechselnd entlang des Berghanges, wobei man wegen Steinschlaggefahr hier besser nicht hält, oder mal mit Blick ins Tal. Die Gegend trägt hier zu Recht den Namen: Grand Canyon von Kanada. Nach dem Zusammenfluß von Hartz Creek und Stikine River ging es steil bergauf, und dies auch nur einspurig. Gut, daß hier kein Gegenverkehr kam. Manchmal passierten wir wenige Hütten, die aber verlassen aussahen, und bis auf ein paar kleinere Rebhühner sahen wir nur die Schilder: Watch for Livestock; ansonsten leider keine Wildtiere, auch keine Bergziegen, die es hier zuhauf geben soll. Bei KM 85 gab es eine Rest-Area, auf der wir kurz hielten, denn von hier hatte man wieder einen tollen Blick in die Schlucht mit dem Canyon. Aber wir wollten noch unbedingt weiter, bis ans Ende, in den ehemaligen Goldgräberort Telegraph Creek. Und tatsächlich lief auch auf den letzten Metern noch ein Schwarzbär über die Straße, verschwand aber schnell im Wald und entzog sich damit unserem Objektiv. Kurz vor dem Ende des Weges stand auf einmal ein Schild, welches nach rechts bergauf wies: Glenora. Ups, sind wir falsch? In unseren Karten sahen wir, daß Glenora bestimmt noch 50 km über eine Piste entfernt liegt, also mußte es der andere Weg sein. Und da ging es schmal und ebenso steil wie zuvor runter, bis nach „Old Town“ von Telegraph Creek. Am Ende der Sackgasse steht ein Museum, das Stikine Museum, welches von Mick geleitet wird. Wir durften den sehr sympathischen und vor allem kultivierten Mann und seinen Enkel kennenlernen und das Gespräch über verschiedenste Themen hat wirklich Spaß gemacht. Gerne wären wir noch länger geblieben, denn beide hatten Zeit, aber die nächsten Besucher kündigten sich an. Wobei man dazu sagen muß, daß das Museum nicht viele Besucher pro Tag sieht, wenn man einen Blick in das Gästebuch wirft. Es ist kostenlos, freut sich jedoch über eine Spende.
Es war früher Nachmittag und wir entschieden, noch einen kurzen Abstecher in den „aktuellen“ Ort Telegraph Creek zu machen, in welchem laut Mick heutzutage nur noch ca. 250 Leute leben – 100 weniger als in der Info in unserem Reiseführer von 2014. Hierzu mußten wir tatsächlich die Piste noch einmal ganz rauf, Richtung Glenora. Einmal die kurze, gerade Straße im Ort hin- und wieder zurückgefahren, an Polizei, Schule, Tankstelle und einem kleinen Shop vorbei, und schon hat man diesen Ort gesehen. Also ging es für uns wieder retour.
Auf der Rückfahrt überlegten wir, ob wir die 115 km bis Dease Lake wieder komplett zurückfahren sollten, oder nochmal einen Zwischenstopp einlegen, denn wir hatten seit einigen Tagen schon kein Netz und wußten nicht, ob das aktuell sonnige Wetter halten würde. Aber die Rest Area bei KM 85 war wirklich schön, mit Tischen und Bänken, und die Sonne knallte vom Himmel; da war die Entscheidung leicht. Die Nacht war dunkel, sternenklar, und sehr ruhig. Selbst der zweite, dicke Schwarzbär, den wir abends zuvor noch in unserer Nähe gesehen hatten, stattete keinen weiteren Besuch mehr ab. Dafür jedoch ein paar Kids aus der Nähe, mit Pick-ups und Pferden, die nach ein paar ausgelassenen Runden wieder verschwanden und uns in der Einsamkeit zurückließen.
Diesmal wachten wir bereits um 6 Uhr auf, denn es regnete in Strömen! Das kann ja heiter werden! Wir warten mal ab, ob sich die Wolken – wie tags zuvor auch – wieder verziehen und die Piste wieder abtrocknet. Es wurde 10 Uhr und wir machten uns erstmal ein gutes Frühstück: Ok., so langsam waren unsere Vorräte jetzt auch am Ende und es gab Cornflakes mit Milch. 😉 Um die Zeit noch etwas zu strecken, wurden Boris auch noch schnell die Haare gekürzt. 😉 Gegen 13 Uhr fiel dann die Entscheidung – in einer Regenpause: Wir wagen es mit dem Rückweg. Anfänglich war dieser auch gut, über eine gute Schotterpiste, trotz der Bergkehren. Aber dann kam die lange Sektion mit einer eher erdähnlichen Piste. Wir haben den Druck in den Reifen noch mehr abgelassen (final um 2 bar), um eine bessere Traktion zu haben, und sind nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam gefahren, denn ansonsten käme man die Steigungen nicht mehr hoch. Unsere Sperren hatten wir nicht eingelegt. Aber es war mega rutschig und glitschig, wobei hinzukam: In Kanada versprüht man Calcium Chlorid auf den Erdpisten, was einen Schmierfilm auslöst. Kommentar von Mick: It’s eating up my truck. ☹ Ab und an haben wir gehalten, um Fahrerwechsel zu machen und die gröbsten Brocken vom Auto wegzukratzen. Final hat es knapp 3 Stunden gedauert, bis wir die Strecke bis Dease Lake gemeistert hatten. Zum Schluß setzte sogar noch Nieselregen ein. Wir waren froh über unseren Allrad, denn wir können uns nicht vorstellen, wie dies hier ein normaler PKW hätte schaffen können. Nur 2 Pick-ups haben uns in dieser Zeit überholt, und nur einer ist uns entgegengekommen. Die Locals wissen schon, wann man hier besser nicht fahren sollte.
Rückblickend war es diese geniale Strecke wert, daß wir sie gefahren sind, und die beiden Stellplätze sind die unserer Meinung nach zwei Besten auf der gesamten Strecke. Wir hatten auch – so meinen wir – wirklich Glück mit dem Wetter, denn an unserem jetzigen, nächtlichen Stellplatz, setzte der wirkliche, heftige Regen ein und wäscht den Schlamm von Patshas Seiten wieder runter. Keine Ahnung, wie der Rückweg sonst bei Dauerregen verlaufen wäre, oder ob wir es dann auf der Strecke ausgesessen hätten. Aber so bleiben viele schöne Erinnerungen – im Kopf und auf Fotos –, und eine neue Erfahrung!