Wir stehen auf dem Tuttle Creek Campground mit Blick auf die imposanten Schneeberge der Sierra Nevada, in der Nähe von Lone Pine. Aber wir stehen nicht nur auf diesem Campground, sondern hocken den ganzen Tag mehr oder minder in Patsha, denn: Draußen bläst der Sturm so heftig, daß man sich nicht lange aufhalten kann, und bei dem kühlen Wetter macht es auch irgendwie keinen Spaß, einen Spaziergang zu unternehmen. Jetzt hatten wir uns entschieden, hier 2 Nächte zu bleiben, und diese auch entgegen unserer normalen Vorgehensweise, gleich bezahlt – und nicht erst eine Nacht nach der anderen -, denn wir hatten vorgehabt, ein paar Dinge „anzugehen“, also: Dinge von der Taskliste, wie z.B. DAS Loch in den Kabinenboden zu bohren, durch den das Satellitenkabel zu unserer Außensteckdose gelegt werden soll. Oder, die gebrochene Schraube aus der Armlehne unseres Campingstuhles auszubohren. Ok., selbst bei Sonne und keinem Wind ist dies hier wahrscheinlich nicht der passende Ort dafür, denn man würde sonst die anderen Camper mit dem lauten Bohrgeräusch stören. Oder einen neuen Aufkleber vorne am Fahrerhaus anbringen. Ach ne, geht ja auch nicht, denn man würde bei dem Wind von der Leiter gepustet werden. Also, dann bleiben ja nur noch die Sachen im Inneren, wie … wie Putzen zum Beispiel. Ne, keine Lust. Warum gibt es immer nur Dinge auf einer Taskliste, die nicht wirklich Spaß machen? Ich glaube, hier unterscheidet man sich auf einer Reise auch nicht von den Dingen, die „zu Hause“ auf einer Taskliste stehen. In beiden Fällen: Eine Taskliste wird irgendwie immer nur länger, aber nie wirklich kürzer. Gefühlte oder reale Tatsache?
Aber wenn man sich nicht draußen aufhalten kann, und auch keine Lust auf Abarbeitung einer Taskliste hat, was bleibt dann? Miteinander quatschen. Ein Gesellschaftsspiel spielen. Ein Buch oder eBook lesen. Oder im Internet surfen. Ist wie ein richtiges Wochenende früher zu Hause, wenn man entspannen möchte oder einfach nur abhängen möchte; nur auf 10 qm statt viel mehr. Aber gibt es da noch mehr? Etwas dazwischen, also zwischen Taskliste und Freizeitbeschäftigung?
Dazwischen könnte zum Beispiel ein Hobby liegen – ok., hat jetzt doch wieder etwas mit Freizeit zu tun -, wobei mit Hobby auf begrenztem Raum und der Überlegung, wieviel Platz man sich für das Equipment zu seinem Hobby gönnt, es schon schwierig wird. Mountainbike, Paddelboot, Kite-Equipment, Quad, usw. nehmen doch viel Platz ein, wobei es bei uns momentan „nur“ zu einem Fahrrad und einer Schnorchelbrille gereicht hat. Also, an diesem windigen und kühlen Tag, und ohne Meer, auch wieder Fehlanzeige.
Aber bestimmt ist doch noch etwas zu reparieren – egal ob an Patsha oder sonstwo -, oder für die Reise zu organisieren? Das stimmt tatsächlich, auch diese Liste scheint endlos, aber irgendwie fällt dies in die Kategorie „Taskliste“ – wie auch unsere Ideen vom Anfang dieses Artikels -, also auch nicht etwas, wozu man immer oder auch nur spontan mal Lust hat.
Worauf will ich hinaus? Ihr merkt, ich pendel zwischen „Taskliste“ und „Freizeitbeschäftigung“. Keiner von uns möchte im (beruflichen) Hamsterrad sein oder bleiben, und wenn man diesem schafft, zu entkommen, hat man „unendlich“ viel Zeit für andere Dinge; Dinge, die einem wichtig sind oder sein könnten; Dinge, die einem Spaß machen (sollten); Dinge – oder Aktivitäten -, die man selber frei wählt. Das hört sich doch jetzt echt cool an und ist doch gleichbedeutend mit einem Hobby und Lebensfreude, oder? Aber man schafft einfach nicht, die ganze freie Zeit mit einem Spaß-machenden Hobby zu füllen – egal, aus welchem Grund; heißt: Man hat auf einmal eine große, zeitliche „Lücke“ – andere nennen dies Freiheit! -, und Bock auf die Taskliste: Nein, absolut nicht! Jetzt könnte man meinen: Das ist doch super! Genauso soll es doch sein: Entspannung pur! „Unendlich viel Zeit“ für jegliche Art von (lockerer) Freizeitbeschäftigung oder einfach nur Abhängen und Genießen! Genau deswegen wollte man doch dem Hamsterrad entfliehen. Aber in der Realität stellt sich auf einmal „Langeweile“ ein, zumindest mache ich die ersten Erfahrungen in dieser Richtung. Auch geistig wird man bei weitem nicht mehr so gefordert wie früher. Nur mal so als Exkurs.
Dies hört sich jetzt erstmal „merkwürdig“, „unverständlich“, vielleicht sogar „überheblich“ an, und vermutlich werde ich von allen Berufstätigen jetzt auch mit einem Kopfschütteln fragend von der Seite angeschaut: Wie kann die sich denn „beschweren“? Aber während man im Berufsleben Teil eines Ganzen war, und mit seinem Beitrag geholfen hat, das „Uhrwerk“ am Laufen zu halten, ist man jetzt zu 100% nur für sich selber verantwortlich. Und die 100% sollen doch irgendwie Sinn machen, und möglichst auch Spaß, oder? Wie der Übergang vom Berufsleben ins Rentenleben. 😉 Aber irgendwie fällt es schwer, diese Zeit mit reinen „Hobbys“ oder „Freizeitaktivitäten“ zu füllen. Langeweile kommt auf.
Mehr sportliche Aktivität sind bestimmt ein Garant für weniger Langeweile; könnte ja auch ein Hobby sein oder werden. Oder sich tiefergehend mit der „Befriedigung kulinarischer Genüsse“ zu beschäftigen. Oder abwechslungsreichere Freizeitaktivitäten wie ein Stadtbummel oder Museumsbesuch. Interessant sind aber vor allem die Ideen zu „Freiwillingenarbeit“, oder ggf. gegen einen kleinen Obolus. Wir hören von anderen Reisenden, die Freunden bei der Gartengestaltung oder auf dem Campingplatz helfen, oder in Afrika den Schulunterricht unterstützen; wir lernen Reisende kennen, die lokale Feuerwehren unterstützen oder anderen Overlandern bei der Fahrzeugreparatur helfen. Und auf manchen Web-Seiten von Langzeit-Reisenden lesen wir, daß man bei ihnen „Service-Pakete“ buchen kann, um anderen Gleichgesinnten beim Aufbau ihres Expedis oder der Reisevorbereitung „Starthilfe“ zu geben. Andere wiederum schreiben ein Buch, oder sogar einen Reiseführer.
Es gibt viele Ansätze, die es wert wären, auszuprobieren. Wobei es prima wäre, etwas zu finden, daß man nicht nur „stationär“ machen könnte – also, wo man an einen Ort gebunden wäre -, sondern flexibel von unterwegs. Nach mehr als 2 Jahren auf Reise komme ich an einen Punkt, wo ich überlege, wie man der Langeweile begegnen könnte, denn auch ein „Overlanderleben“ ist irgendwann – zumindest zu einem Teil – Alltag und Routine. Wieder „schneller zu reisen“, um die Abwechslung zu erhöhen, könnte zwar helfen – seit der Baja haben wir uns hier eher „eingecrooved“ -; ist aber nicht wirklich etwas, was wir aktuell in Betracht ziehen. Und auf Dauer-Putzen oder noch mehr Social Media Einträgen ist nicht wirklich die Lust da. Zumindest nicht jeden Tag. 😉 Folglich bin ich also noch auf der Suche nach etwas „Sinnvollem“, „das Spaß macht“, „man flexibel jederzeit ausüben kann“ und am besten noch „gehirnwindungstechnisch fordert“. Ich lasse es Euch wissen, wenn ich es gefunden habe.
Ach ja, ich habe Boris natürlich gefragt, ob er dies genauso sieht. Und Überraschung: Er hat damit keine Probleme, sondern genießt einfach nur die freie Zeit. 😉