1000 Tage auf großer Tour

von root

Wow, wie die Zeit verfliegt! Wobei für uns die letzten 1000 Tage gefühlt eher langsam verstrichen sind, so viele Eindrücke haben wir gesammelt. 1000 abenteuerliche Tage sind wir jetzt schon unterwegs; haben 25 Länder mit Patsha bereist; sind über 100.000 km gefahren. Ein Leben auf Achse und in ständiger Bewegung.

Bei unserem ersten, größeren Fazit – nach 100 Tagen – durfte uns Pingu noch interviewen. Davor hatten wir ein kleines, erstes Fazit bereits nach ca. 10 Tagen Reise verfaßt. Ein weiteres haben wir nach 427 Tagen Europatour geschrieben. Wer uns jedoch kennt, weiß, daß wir die Abwechslung lieben, d.h. diesmal wählen wir abermals ein leicht abgewandeltes Format. Welche Aspekte sind uns in den Sinn gekommen:

  • Hat sich für uns etwas verändert, im Vergleich zum Reisestart oder der ersten Zeit?

Eine Langzeitreise ist eine Form, zu leben und sein Leben zu gestalten, d.h. wie in jedem Leben bzw. wie nach jeder Veränderung ist die erste Zeit erstmal neu und absolut spannend. Nach und nach stellt sich eine gewisse Routine ein. Insofern sind viele Dinge, die wir am Anfang voller Neugierde und vielleicht auch etwas unbeholfen gemacht haben, inzwischen Normalität geworden, und das ist gut so. Insbesondere die täglichen Dinge, die man auch früher – nur in abgewandelter Form – gemacht hatte, sind Alltag, z.B. Einkaufen, Wasser befüllen oder Wäsche waschen. Was sich jedoch nicht geändert hat, ist unsere Begeisterung für die Natur, die Tiere, die Landschaft, die verschiedenen Kulturen und die Vorfreude auf die Dinge, die wir erleben dürfen, d.h. wir sind definitiv nicht reisemüde. Wir reisen jetzt jedoch deutlich langsamer als am Anfang, auch wenn man uns immer noch nachsagt, sehr schnell unterwegs zu sein. Wir bleiben öfters auch mal 2 oder mehrere Tage stehen, und unsere Etappen sind tendenziell kürzer. Ok., vielleicht nicht die langen Etappen in Kanada und den USA, aber prinzipiell fahren wir täglich nicht mehr als 4 Stunden. Und wir stehen noch später auf als sonst. 😉 Wahrscheinlich holen wir den ganzen, verpaßten Schlaf aus dem Berufsleben nach. 😉

Sind wir am Anfang noch bei Eis und Schnee gestartet, haben wir seitdem versucht, dem Winter zu entfliehen. Natürlich gab es mal verschneite Straßen oder Minustemperaturen auf unserer weiteren Reise, aber generell haben wir unsere Route so angepaßt, daß wir in den Wintermonaten eher im Süden waren. Gleiches gilt auch umgekehrt, d.h. auch extremer Hitze über einen längeren Zeitraum hinweg konnten wir so entkommen.

  • Haben wir uns nach den 1000 Tagen verändert?

Diese Frage können wahrscheinlich eher andere, die uns gut kennen, beantworten, wobei eines ganz klar ist: Wir brauchen inzwischen auch für das Öffnen der Zahlenschlösser an unseren Auffahrrampen unsere Brille. 😉 Worauf wir jedoch ein klitzekleines bisschen „stolz“ sind: Wir haben Essen-technisch „überlebt“, auch wenn nicht unbedingt abgenommen. 😉 Aber wir hätten als Kantinen- und-Restaurant-„Gourmets“ selber nicht gedacht, daß wir uns so gut selber versorgen können, haben wir doch früher fast nie selber gekocht. Aber es geht, und ist tatsächlich abwechslungsreich und lecker. 😉

Was wir jedoch selber an uns merken, ist, daß wir für uns immer noch nicht relaxt genug sind, wenn wir Probleme am Fahrzeug haben. Unser Zuhause ist mobil; es ist nicht getrennt von einem Auto, heißt: Wenn es Patsha „nicht gut geht“, geht es unserem Zuhause nicht gut, und wir leiden immer mit. Mit technischen Problemen, die wir bereits gehabt und gelöst haben, sind wir routiniert, aber Patsha überrascht uns (fast) jeden Tag mit einer neuen Herausforderung…

Auch merken wir, daß wir eher die Ruhe suchen, als unbedingt Sightseeing in Städten. Nicht, daß diese nicht auch interessant sind, aber es ist einfacher und auch schöner, mit Patsha in der freien Natur zu stehen, als auf einem (sicheren) Campground oder Parkplatz irgendwo in einer Stadt. Generell haben wir sehr viel weniger soziale Kontakte als früher – insbesondere im Vergleich zum Berufsleben. Vermutlich werden wir uns daher auch verändert haben, wobei es schwierig ist, dies selber zu beurteilen. Wir haben auf dieser Reise gesehen, daß aufgrund des sehr engen Zusammenlebens eine Freundschaft entweder zerbricht oder wächst, und wir sind sehr froh darüber, daß es bei uns intensiver geworden ist.

Es fällt jetzt nicht direkt unter den Aspekt, ob wir uns verändert haben, gehört aber irgendwie doch mit dazu: Welche Erkenntnisse haben wir gewonnen? Insbesondere jene, daß unsere Art des Reisens nicht „pure Freiheit“ bedeutet, sondern immer noch geprägt von Rahmenbedingungen und viel Organisation ist. Dies haben wir versucht, in unserer Trilogie „Der Preis der Freiheit“ zu beschreiben.

  • Würden wir uns nochmal für einen solchen Schritt, alles „aufzugeben“, entscheiden und losfahren?

Manchmal ist es gut, nicht die Zukunft vorhersagen zu können, d.h. man schlägt mutig einen neuen Weg ein und bewertet diesen, oder paßt diesen ggf. an. Insofern hätten wir vielleicht die eine oder andere Sache mit dem Wissen, wie sich Dinge entwickeln werden, anders gemacht, aber generell, auf Langzeitreise zu gehen, bereuen wir nicht und würden es erneut wieder so machen.

  • Welche Dinge würden wir rückblickend anders machen?

Wir hatten es uns durchgerechnet und unser Hausverkauf war absolut notwendig, um uns diese Reise in dieser Form zu ermöglichen. Dennoch bedauern wir ab und an, kein „festes“, d.h. stationäres Zuhause, mehr zu haben, zu welchem man für ein paar Wochen oder Monate bei einer Reisepause zurückkehren kann. Eventuell hätte es Sinn gemacht, eine günstige Eigentumswohnung zu erwerben, in die man hätte zurückkehren können. Damit wären wir in Deutschland angemeldet geblieben und hätten auch Absicherungen, wie z.B. eine dortige Krankenversicherung, gehabt; neben dem ganzen Aspekt eines „Ruhepols“.

Aufgrund der technischen Probleme, die wir in den letzten, knapp 3 Jahren gehabt haben, hätten wir uns vermutlich auch eher für eine Schweizer Feuerwehr entschieden, die vermutlich deutlich gepflegter gewesen wäre. Das Geld, welches wir jetzt – und noch mehr – für Reparaturen ausgegeben haben, wäre unserer Meinung nach am Anfang besser in den teureren Anschaffungspreis investiert.

Wir sind unterschiedlicher Ansicht darüber, ob wir ein anderes Raumkonzept hätten wählen sollen, und dafür die berühmten 20 cm mehr Länge spendiert haben sollten, aber was die Höhe des Wohnkoffers angeht, sind wir uns einig und hätten wir rückblickend gesehen definitiv 5-10 cm einsparen sollen. Jeder Zentimeter zählt. Mit einer etwas längeren Kabine und einem anderen Raumkonzept hätten wir mehr Platz im Durchgangsbereich gehabt, welches mir, Tanja, inzwischen wichtig ist. Für Boris sind jedoch die kompakteren Außenmaße wichtiger, um so wendiger im Gelände bzw. auf engen Straßen zu bleiben.

Während es in Europa mit unserem deutschen Pass noch einfach war, zeitlich unbegrenzt zu reisen, ist die Aufenthaltsgenehmigung in Nordamerika limitiert. Wir reisen in den USA mit ESTA, würden aber rückblickend doch das B2 Visum beantragen, da wir zum damaligen Zeitpunkt nicht wußten, daß Aufenthalte in Kanada und Mexiko zu dem Zeitraum einer laufenden Aufenthaltsgenehmigung in den USA mit dazu zählen. Ein B2 hätte uns insofern erlaubt, die Route flexibler zu gestalten und uns auch mehr zeitlichen Spielraum in den USA gegeben.

  • Welches Highlight gab es für uns? Welches Lowlight?

DAS wirkliche Highlight zu benennen, ist sehr schwer, denn es gab so viele schöne Momente, Begegnungen, Erlebnisse. Diese aufzuzählen oder sich gar im Detail daran zu erinnern, ist für uns unmöglich, denn wir erleben jeden Tag so viel. Da müßten wir uns durch unsere ganzen Fotos und Videos wühlen. Generell müssen wir aber sagen: Am Schönsten ist der Luxus, Zeit zu haben, und das Privileg, so reisen zu können, wie wir dies aktuell machen. Dafür sind wir beide sehr dankbar!

Bzgl. Lowlight ist es da schon viel einfacher: Die ganzen Reparaturen (LOGBUCH), die wir an Patsha vornehmen mußten, und die uns immer wieder gefühlt zurückwarfen, und das Thema „Gesundheit“. Letzteres hat unsere Reise die letzten 17 Monate doch stark beeinflußt. Leider ist deswegen bei uns die „Leichtigkeit“ und „Unbeschwertheit“ am Reisen verflogen, auch wenn man dieses als Außenstehender bei unseren Bildern nicht sieht bzw. hoffentlich nicht sieht. Denn wir würden uns sehr darüber freuen, auch andere zu begeistern bzw. zu solch‘ einem Schritt zu ermutigen (LINK).

  • Gibt es einen Unterschied zwischen dem Reisen in Europa und hier auf dem nordamerikanischen Kontinent?

Erst dachten wir, nach Ankunft in Kanada ist alles größer, breiter, höher. Bis wir auf die niedrig hängenden Kabel in Neufundland achten mußten und dachten: Hey, wir sind doch nicht mehr in Europa. Und auf der Baja sind die Hauptstraßen meist so eng, wie die Gassen in Griechenland. Aber generell ist es so, daß die Distanzen auf dem nordamerikanischen Kontinent einfach riesig sind; da hat man schon Europa mindestens zweimal durchquert. Bezüglich Werkstattsupport war es für uns in Europa mit einem Mercedes Benz auch viel leichter, als jetzt hier. Kostenmäßig geben wir derzeit auch im Schnitt 400 € mehr im Monat aus, da der Sprit zwar deutlich günstiger ist, aber Lebensmittel & Co. – z.B. auch Versicherungen – lassen grüßen. Ansonsten ist es schwer, das Reisen auf beiden Kontinenten miteinander zu vergleichen, denn die Kontinente sind doch sehr verschieden: Landschaftlich, als auch kulturell. Insbesondere die landschaftliche Vielfalt empfinden wir hier in Nordamerika noch einmal extremer. Wir hatten jedoch den Eindruck, daß wir in Europa anzahlmäßig deutlich mehr Wildlife gesehen haben, obwohl die Natur hier in Nordamerika doch deutlich einsamer ist. Vielleicht noch der Aspekt, daß wir in Europa nie auf eine maximale Aufenthaltsdauer achten mußten. Das ist hier natürlich anders.

  • Gab es irgendwelche Risiken oder Gefahren auf unserer bisherigen Reise?

Ganz klares Nein! Wir haben uns nirgendwo unsicher gefühlt oder Angst gehabt, auch wenn wir ab und an mal ein „merkwürdiges“ Gefühl mit einem Übernachtungsplatz gehabt hatten; aber dann haben wir diesen gewechselt. Das war jedoch die absolute Ausnahme.

  • Wie zufrieden sind wir mit unserem Reisefahrzeug Patsha und dem Leben auf begrenztem Raum?

Wir hatten es zuvor, als auch in einem unserer letzten Beiträge, angedeutet, daß wir unseres Erachtens zu viel an Patsha haben reparieren (lassen) müssen. Wir müssen uns immer noch damit auseinandersetzen, daß wir bei neuen Problemen nicht die Kritikalität einschätzen können – in der Fehlersuche sind wir inzwischen ganz gut -, und das Thema „Selber Lösen oder in einer Werkstatt Beheben Lassen“ ist auch eines, an welchem wir (an uns) arbeiten. Das kann teilweise zermürbend sein, und viele, die eine Affinität zum Schrauben haben, können dies bestimmt schwer nachvollziehen. Aber wie gesagt: Wir arbeiten daran!

Begeistert sind wir definitiv von der Offroad-Fähigkeit von Patsha, d.h. alle Plätze, die wir anfahren wollten, haben wir auch erreicht.

Unser Leben auf engem Raum hat sich ganz gut eingespielt, auch dank neuester Kopfhörer, um ungestört mal einen Film alleine anschauen zu können. 😉 Aber – wie zuvor erwähnt -, bzgl. einem anderen Raumkonzept und den berühmten 20 cm mehr sind wir unterschiedlicher Meinung. 😉

  • Vermissen wir etwas?

Bei unserem „100 Tage Fazit“ hatten wir noch einen Wäschetrockner und ein Beiboot in Form eines Motorrads o.ä. vermisst. Mittlerweile vermissen wir eher einen „festen Wohnsitz“, wo wir mal eine Reisepause einlegen könnten. Natürlich könnten wir uns auch eine Ferienwohnung o.ä. mieten, aber irgendwie ist dies (gefühlt) nicht das gleiche. Aber darüber hinaus haben wir bei dieser Form des Reisens – in dieser Einfachheit – alles, was wir brauchen.

  • Kommen wir mit unserem Budget(limit) hin?

Aktuell ja, auch wenn Nordamerika teurer ist als unsere Zeit in Europa. Wenn wir an einer Stelle mehr Geld ausgeben – z.B. dem monatlichen Internetvertrag -, versuchen wir, an anderer Stelle wieder Geld einzusparen, wobei dies schwierig ist. Die Kostenaufteilung „1/3 Diesel, 1/3 Lebensmittel, 1/3 Rest“ ist auch hier in Nordamerika für uns weiterhin gültig.

  • Wie soll unsere Reise weitergehen?

Wir hatten für den nord- und südamerikanischen Kontinent ca. 5 Jahre veranschlagt. Bislang sind wir noch nicht wirklich nach Süden gezogen bzw. südlich des Äquators, aber wir haben ja Zeit. Insofern ist unsere aktuelle Planung, daß wir uns Mexiko anschauen, dann Guatemala. Ob wir Zentralamerika machen, wissen wir noch nicht, da uns insbesondere die extrem hohen, und unseres Erachtens auch nicht gerechtfertigten Preise einer Darien Gap Umschiffung abschrecken. Eventuell werden wir daher auch von Mexiko weiter nach Süden verschiffen. Aber wir machen keine so weite Planung mehr wie am Anfang, sondern schauen erstmal, was die nächsten 1..2 Monate so bringen. Das ist der Vorteil, an unserer Art, zu reisen, daß wir flexibel sind und diese Reise so anpassen können, wie wir meinen, daß es für uns richtig sei.

 

Sollte Dir jetzt noch ein Aspekt fehlen, so melde Dich doch gerne bei uns! Dann ergänzen wir diesen. … und bestimmt wird es auch noch ein Fazit nach 10000 Tagen geben. 😉

(Musik von: https://www.musicfox.com/)

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